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NVwZ–RR 1998, 241

Ordnungsgeld gegen AStA

HessHochschG § 63 II

ZPO § 890 I

VwGO § 167

Beachtet ein AStA einen gerichtlichen Beschluß nicht, durch den ihm untersagt worden war, politische Erklärungen, Forderungen und Stellungnahmen abzugeben, die keinen konkreten studien– oder hochschultypischen Inhalt haben, ist gegen ihn auf Antrag ein Ordnungsgeld festzusetzen. (Leitsatz der Redaktion)

VG Gießen, Beschluß v. 18.09.1997 – 3 M 1279/97 (3)

Zum Sachverhalt: Der Vollstreckungsgläubiger (ein Student) begehrt die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die Vollstreckungsschuldnerin (Studentenschaft, vertr. durch den AStA der Universität) wegen Zuwiderhandlung gegen ihre Verpflichtungen aus einer einstweiligen Anordnung. Im einstweiligen Anordnungsverfahren des Vollstreckungsgläubigers gegen die Vollstreckungsschuldnerin hat das VG am 17. 2. 1997 beschlossen: 'Der Ag. wird vorläufig bis zur unanfechtbaren Entscheidung in der Hauptsache, jedoch nicht länger als der Ast. Mitglied der Ag. ist, untersagt, politische Erklärungen, Forderungen und Stellungnahmen abzugeben, die keinen konkreten studien– oder hochschultypischen Inhalt haben. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Ag. ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 500000 DM angedroht.' Der Vollstreckungsgläubiger hat am 13. 8. 1997 die Festsetzung eines Ordnungsgeldes beantragt. Der AStA der Vollstreckungsschuldnerin habe ein Flugblatt veröffentlicht, in dem mit der Überschrift 'Tod auf Raten – BAYER–Pestizid–Werbung in Lateinamerika' – auf eine am 17. 7. 1997 durchgeführte Veranstaltung hingewiesen worden sei. Dieses Flugblatt befasse sich mit angeblichen 'Machenschaften und Werbestrategien' der BAYER AG und sei einseitig gegen die BAYER AG gerichtet. Die Befassung mit den Werbestrategien dieses Chemiekonzerns habe keinen hochschulpolitischen Inhalt und stelle daher eine Zuwiderhandlung gegen das im Beschluß vom 17. 2. 1997 enthaltene Unterlassungsgebot dar.Das VG hat ein Ordungsgeld in Höhe von 5000 DM festgesetzt.

Aus den Gründen: Die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die Vollstreckungsschuldnerin gem. § 167 VwGO und § 890 I ZPO liegen vor, da feststeht, daß die Vollstreckungsschuldnerin ihren Verpflichtungen aus dem bestandskräftigen Beschluß des VG Gießen vom 17. 2. 1997 (3 G 1799/96 (3)) zuwidergehandelt hat.Das vom Vollstreckungsgläubiger in Kopie vorgelegte Flugblatt mit der Überschrift 'Tod auf Raten – BAYER–Pestizid–Werbung in Lateinamerika' – stellte eine politische Erklärung bzw. Stellungnahme dar, die keinen konkreten studien– oder hochschultypischen Inhalt hat. Die darin enthaltene kritische Auseinandersetzung mit den angeblichen 'Machenschaften und Werbungstrategien' der BAYER AG stellt ein allgemeinpolitisches Thema von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung dar, dessen Wahrnehmung der Ag. aufgrund ihrer Ausgestaltung als Zwangsverband zur Bündelung spezifisch studentischer Interessen nicht übertragen ist. Das Flugblatt enthält auch keine neutrale Sachdarstellung, die zur Förderung der politischen Bildung geeignet sein könnte. Insbesondere die Überschrift 'Tod auf Raten – BAYER–Pestizid–Werbung in Lateinamerika' sowie die Passage:'Denn: ob Gentechnik, Mißbrauch von Pestiziden oder Arbeitsbedingungen in der 3. Welt – überall auf der Welt hat der Multi BAYER seine Finger im Spiel. Abhilfe schafft man nur durch öffentlichen Druck.'enthält eine von einem bestimmten Standpunkt ausgehende Auffassung, die weder im Rahmen der Aufgabenzuweisung an die Studentenschaft liegt noch dem Zurückhaltungsgebot hinsichtlich allgemeinpolitischer Äußerungen entspricht. Es handelt sich somit auch nicht um eine Information zur Förderung der politischen Bildung der Studenten ( § 63 II Nr. 5 HessHochschG).Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von 5000 DM ist angemessen, um die erneute Zuwiderhandlung gegen den Beschluß des VG Gießen vom 17. 2. 1997 (3 G 1799/96 (3)) zu ahnden und die Vollstreckungsschuldnerin nachdrücklich zu ermahnen, den Beschluß in Zukunft zu beachten.Die Kammer orientiert sich dabei an dem Rahmen, den der VGH Kassel in vergleichbaren Verfahren in der Vergangenheit gestreckt hat (vgl. VGH Kassel, Urt. v. 24. 2. 1975 – VI OE 55/74 – 2000 DM; Beschl. v. 17. 4. 1975 – VI TM 5/75 – 1000 DM; Beschl. v. 9. 3. 1983, – VI TM 3255/82 – 2000 DM; zuletzt Beschl. v. 28. 8. 1997 – 6 TG 2486/97 – 10000 DM).

Anm. d. Schriftltg.: Das VG Gießen hatte gegen den AStA derselben Universität wegen eines anderen, ähnlichen Vorfalls bereits mit Beschl. v. 10. 9. 1997 – 3 M 1167/97 ein Ordnungsgeld in Höhe von 4000 DM festgesetzt.