OVG Hamburg:
Kein allgemeinpolitisches Mandat des AStAs -
zur Versammlungsteilnahme sowie zur Wiederholungsgefahr bei einem neuen AStA

 
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht 3. Senat, Beschluß vom 4. November 1983, Az: Bs III 827/83

HSchulG HA § 131 Abs 2

Hochschulrecht - verfaßte Studentenschaft, allgemeinpolitisches Mandat

Leitsätze

1. Ein Organ der verfaßten Studentenschaft oder ein Mitglied eines solchen Organs kann den durch HSchulG HA § 131 Abs 2 gezogenen Aufgabenkreis der verfaßten Studentenschaft nicht nur durch Stellungnahmen, Äußerungen oder Aufrufe, sondern auch durch die Durchführung oder die Beteiligung an der Durchführung einer Versammlung überschreiten und damit die Rechte der Mitglieder der verfaßten Studentenschaft verletzen (Bestätigung OVG Hamburg, 20. Oktober 1983, Bs III 824/83).

2. Die Neuwahl eines Organs der verfaßten Studentenschaft beseitigt nicht bereits als solche eine bis dahin gegebene Gefährdung von Rechtsverletzungen. Eine geänderte personelle Zusammensetzung eröffnet dem neugewählten Organ nur die Möglichkeit, mit einem größeren Maß an Glaubwürdigkeit eine bis dahin bestehende Befürchtung zukünftiger Rechtsverletzungen als fraglich darzustellen. Das bedingt jedoch das Vorbringen konkreter Umstände.

3. Eine Vollversammlung im Sinne der Satzung der Studentenschaft der Universität Hamburg Art 22 kann vom Allgemeinen Studentenausschuß nicht einberufen werden. Die Satzung Art 23 verbietet es, eine solche Vollversammlung als eine "ad-hoc-Vollversammlung" durchzuführen. Überschreitet eine Vollversammlung den der verfaßten Studentenschaft gesetzlich zugewiesenen Aufgabenkreis, darf sie weder begonnen noch fortgesetzt werden. Eine derartige Versammlung ist rechtswidrig.

4. Die verfaßte Studentenschaft und ihre Funktionsträger sind berechtigt, eine auf öffentliche Diskussion um den Umfang des politischen Mandates, um die Tragweite hierzu ergangener gerichtlicher Entscheidungen und die sich für die verfaßte Studentenschaft daraus ergebenden Folgerungen rechtlicher und tatsächlicher Art zu führen. Eine derartige Erörterung bleibt auch dann noch hochschulbezogen, wenn sie die erklärte Form der öffentlichen Urteilsschelte annimmt.

5. Das in der Satzung der Studentenschaft der Universität Hamburg Art 25 Abs 1 vorgesehene Verfahren der Urabstimmung widerspricht dem HSchulG HA §§ 131ff nicht. Gegenstand einer Urabstimmung können jedoch nur Fragestellungen sein, die in einem Zusammenhang mit dem der verfaßten Studentenschaft zugewiesenen Aufgabenkreis stehen.

6. Unter welchen Voraussetzungen ein studentischer Streik, dessen Ziele sich im Rahmen des HSchulG HA § 131 Abs 2 halten, in rechtlich zulässiger Weise von Organen der verfaßten Studentenschaft organisiert werden darf, bleibt offen. Ein Streik außerhalb der in HSchulG HA § 131 Abs 2 zugewiesenen Zuständigkeit darf von der verfaßten Studentenschaft - handelnd durch ihre Organe und ihre Funktionsträger - nicht organisiert oder gefördert werden.

7. Die Frage der "Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen" betrifft den der verfaßten Studentenschaft in HSchulG HA § 131 Abs 2 zugewiesenen Aufgabenkreis nicht, sondern bezieht sich auf den bundespolitischen Bereich der Außenpolitik und Sicherheitspolitik. Gerade weil die damit aufgeworfenen Fragen jedermann berühren, betrifft das Thema einen außerhalb der verfaßten Studentenschaft gegebenen Gegenstand.

8. Das gerichtliche Verbot wendet sich ausschließlich an die verfaßte Studentenschaft und die ihr zugeordneten Funktionsträger. Es betrifft dagegen insbesondere keinen politischen Studentenverband oder einzelne Studenten. Dies gilt auch für solche Studenten, die zugleich Mitglieder eines Organs der verfaßten Studentenschaft sind. Auch diese trifft außerhalb ihrer Funktionstätigkeit kein Gebot zu politischer Neutralität.

Weitere Fundstellen

HmbJVBl 1984, 33-33 (Leitsatz 1-8)

Verfahrensgang

vorgehend VG Hamburg 1. November 1983 7 VG 2860/83

Diese Entscheidung zitiert

Hamburgisches Oberverwaltungsgericht 20. Oktober 1983 Bs III 824/83 Aufrechterhaltung