Zitierung:
BVerfG, 2 BvF 1/03 vom 26.1.2005, Absatz-Nr. (1 - 94),
http://www.bverfg.de/entscheidungen/fs20050126_2bvf000103.html
Leitsatz
zum Urteil des
Zweiten Senats vom 26. Januar 2005
- 2 BvF 1/03 -
Dem Bund ist es
gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG
gegenwärtig verwehrt, die Gesetzgebung der Länder durch
Rahmenvorschriften auf den Grundsatz der Gebührenfreiheit des
Studiums und zur Bildung verfasster Studierendenschaften an den
Hochschulen zu verpflichten. |
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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvF 1/03 -
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Verkündet
am 26. Januar 2005
Rieger
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle |
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In dem Verfahren
über den Antrag festzustellen,
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dass das Sechste
Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes (6. HRGÄndG) vom
8. August 2002 (BGBl I S. 3138)
mit dem Grundgesetz unvereinbar und daher nichtig ist, |
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- Antragstellerinnen: |
1. |
Landesregierung des Landes Baden-Württemberg,
vertreten durch den Minister für Wissenschaft, Forschung und
Kunst Prof. Dr. Peter Frankenberg,
Königstraße 46, 70173 Stuttgart, |
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2. |
Staatsregierung des Freistaates Bayern,
vertreten durch den Ministerpräsidenten Dr. Edmund Stoiber,
Franz-Josef-Strauß-Ring 1, 80539 München, |
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3. |
Senat der
Freien und Hansestadt Hamburg,
vertreten durch den Präses der Justizbehörde Senator Dr. Roger
Kusch,
Drehbahn 36, 20354 Hamburg, |
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4. |
Landesregierung des Saarlandes,
vertreten durch den Minister für Bildung, Kultur und
Wissenschaft Jürgen Schreier,
Hohenzollernstraße 60, 66117 Saarbrücken, |
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5. |
Staatsregierung des Freistaates Sachsen,
vertreten durch den Staatsminister der Justiz Dr. Thomas de
Maizière,
Hospitalstraße 7, 01097 Dresden, |
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6. |
Landesregierung des Landes Sachsen-Anhalt,
vertreten durch den Kultusminister Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz,
Turmschanzenstraße 32, 39114 Magdeburg |
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- Bevollmächtigter: |
Prof. Dr. Christoph Degenhart,
Stormstraße 3, 90491 Nürnberg - |
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hat das
Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der
Richterinnen und Richter
Vizepräsident
Hassemer,
Jentsch,
Broß,
Osterloh,
Di Fabio,
Mellinghoff,
Lübbe-Wolff,
Gerhardt |
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aufgrund der
mündlichen Verhandlung vom 9. November 2004 durch |
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Artikel 1 Nummern 3
und 4 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes
(6. HRGÄndG) vom 8. August 2002 (Bundesgesetzblatt Teil I
Seite 3138) ist mit Artikel 70, Artikel 75 Absatz 1 Satz 1 in
Verbindung mit Artikel 72 Absatz 2 des Grundgesetzes unvereinbar und
nichtig. |
|
Die
Antragstellerinnen wenden sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen
das Sechste Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes (6. HRGÄndG)
vom 8. August 2002 (BGBl I S. 3138). |
1 |
Das am 15. August
2002 in Kraft getretene Sechste Änderungsgesetz sieht in Art. 1 Nrn.
1 und 2 Änderungen der §§ 18 und 19 des Hochschulrahmengesetzes (HRG)
vor, die die Bachelor-/Bakkalaureus- und
Master-/Magister-Studiengänge aus dem Erprobungsstadium in das
Regelangebot der Hochschulen überführen. Art. 1 Nr. 4a 6. HRGÄndG
enthält eine Ergänzung der Bestimmungen über befristete
Arbeitsverträge (§ 57f HRG). Kernpunkte der Neuregelung sind die
Aufnahme des Grundsatzes der Gebührenfreiheit des Erststudiums und
eines konsekutiven Studiengangs, der zu einem weiteren
berufsqualifizierenden Abschluss führt (Art. 1 Nr. 3), sowie die
Verpflichtung zur Bildung von Studierendenschaften an den
Hochschulen (Art. 1 Nr. 4). |
2 |
1. a) Früher
wurden Studierende in Deutschland an der Finanzierung des
Ausbildungsangebots öffentlicher Hochschulen durch die Erhebung
einer Studiengrundgebühr sowie eines Unterrichtsgelds beteiligt. Im
Zuge der Hochschulreform beschlossen die Ministerpräsidenten der
Länder am 16. April 1970, ab dem Wintersemester 1970/71 an den
Hochschulen der Bundesrepublik einheitlich auf die Erhebung von
Studiengebühren zu verzichten. Das am 30. Januar 1976 in Kraft
getretene Hochschulrahmengesetz vom 26. Januar 1976 (BGBl I
S. 185) enthielt keine Regelung zu
Studiengebühren. Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses im
Gesetzgebungsverfahren zum Vierten Gesetz zur Änderung des
Hochschulrahmengesetzes vom 20. August 1998 (BGBl I
S. 2190), in das Hochschulrahmengesetz eine
Bestimmung über die Gebührenfreiheit des Erststudiums aufzunehmen,
scheiterte im Bundestag (vgl. BRDrucks 438/98). Die Kultusminister
der Länder vereinbarten am 25. Mai 2000, das Studium bis zum ersten
berufsqualifizierenden Abschluss und bei konsekutiven Studiengängen
bis zum zweiten berufsqualifizierenden Abschluss grundsätzlich
gebührenfrei zu halten; die Erarbeitung eines Staatsvertrags mit den
von den Kultusministern festgelegten Grundsätzen wurde in Aussicht
genommen. Zum Abschluss eines Staatsvertrags kam es nicht. |
3 |
Gegenwärtig werden
in einigen Ländern Langzeitstudiengebühren sowie Gebühren für Zweit-
und Weiterbildungsstudien erhoben. Ferner sind in einigen Ländern
Gasthörer zur Entrichtung von Gebühren verpflichtet. Daneben erheben
die Länder überwiegend Verwaltungskostenbeiträge oder
Rückmeldegebühren. |
4 |
b) Vor diesem
Hintergrund brachten die Bundesregierung und die Fraktionen von SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gleichlautende Entwürfe eines Sechsten
Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes mit dem Ziel in
den Bundestag ein, die Erhebung von Studiengebühren für das
Erststudium auszuschließen (vgl. BTDrucks 14/8361; 14/8732). Zur
Begründung wurde ausgeführt: |
5 |
Die Debatte über
die Einführung von Studiengebühren bewirke eine grundsätzliche
Verunsicherung derjenigen, die in den nächsten Jahren ein Studium
aufnehmen wollten. Dies könne in letzter Konsequenz zu einem
Rückgang der Zahl der Studienanfänger führen. Mit der Festschreibung
der Gebührenfreiheit schaffe der Bundesgesetzgeber Rechtssicherheit
und unterstütze damit die Studierneigung für das gesamte
Bundesgebiet. Führten einzelne Länder oder Hochschulen
Studiengebühren in nennenswerter Höhe für ein Erststudium und
konsekutive Studiengänge ein, könne nicht ausgeschlossen werden,
dass Studienbewerber und Studierende aus diesen Ländern an
Hochschulen in Ländern wechselten, die keine Studiengebühren
verlangten. Dadurch könne es zu erheblichen Kapazitätsproblemen und
finanziellen Belastungen sowie in der Folge zu einer nennenswerten
Verschlechterung der Studienbedingungen in diesen Ländern kommen. |
6 |
Die Regelung habe
Grundsatzcharakter; den Ländern stehe es aber frei zu regeln, ob und
in welchem Maße Zweitstudien, nicht-konsekutive postgraduale und
weiterbildende Studien gebührenfrei sein sollten. Dem Landesrecht
bleibe die Festlegung überlassen, ob bestimmte Personengruppen (z.B.
Gasthörer, Studierende nach Überschreitung eines bestimmten
Lebensalters, Teilnehmer im Rahmen der Weiterbildung) von der
Studiengebührenfreiheit ganz oder teilweise ausgenommen oder ob
Gebühren für einzelne konkret erbrachte Leistungen der Hochschulen
(z.B. Einschreibgebühren, Prüfungsgebühren) erhoben würden. Die
Einführung von Studiengebühren für grundständige und konsekutive
Studiengänge solle bundesrechtlich grundsätzlich ausgeschlossen und
damit die Zielsetzung des Art. 72 Abs. 2 GG, gleichwertige
Lebensverhältnisse herzustellen, verwirklicht werden. |
7 |
2. a) Bereits die
Ursprungsfassung des Hochschulrahmengesetzes ermöglichte den Ländern
die Einrichtung verfasster Studierendenschaften. Nach der durch das
Vierte Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes vom
20. August 1998 (BGBl I S. 2190)
geringfügig geänderten Fassung des § 41 HRG konnte das Landesrecht
vorsehen, dass an den Hochschulen zur Wahrnehmung
hochschulpolitischer, sozialer und kultureller Belange der
Studierenden, zur Pflege der überregionalen und internationalen
Studentenbeziehungen sowie zur Wahrnehmung studentischer Belange in
Bezug auf die Aufgaben der Hochschulen Studentenschaften gebildet
werden. Mit Ausnahme von Baden-Württemberg und Bayern haben sich die
Länder für die Einrichtung verfasster Studierendenschaften
entschieden. |
8 |
b) Die
Bundesregierung und die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
begründeten ihr Ziel einer obligatorischen Einführung von
Studierendenschaften wie folgt: Die Neufassung der Bestimmung über
die Studierendenschaften, die künftig im Landesrecht für alle
Hochschulen vorzusehen seien, diene der Herstellung gleichwertiger
Lebensverhältnisse. Die bisherige Regelung, die den Ländern die
Bildung verfasster Studierendenschaften freistelle, trage dem
Interesse einer funktionierenden studentischen Selbstverwaltung
nicht in ausreichendem Maße Rechnung. Die Bildung verfasster
Studierendenschaften in allen Ländern habe über die betroffenen
Hochschulen und ihre Studierenden hinaus Bedeutung, da sie
Voraussetzung für bundesweit tätige Interessenvertretungen der
Studierenden sei. |
9 |
Der
Bundesregierung stehe gegenwärtig mit der Hochschulrektorenkonferenz
ein kompetenter Ansprechpartner für den Bereich der Institution
Hochschule zur Verfügung, nicht jedoch auf Bundesebene für die
größte Gruppe der Hochschulmitglieder, die Studierenden. Die
tiefgreifenden finanziellen und strukturellen Veränderungen im
Hochschulwesen, die in den nächsten Jahren zu erwarten seien,
erforderten für den Staat einen repräsentativen und kompetenten
Gesprächspartner auf Seiten der Studierendenschaft, und zwar in
ähnlicher Weise in allen Ländern; dies sei eine notwendige
Voraussetzung für eine kompetente bundesweite Vertretung der
Studierenden. Mit der Präzisierung der Aufgabenbeschreibung der
Studierendenschaften solle ein größeres Maß an Rechtssicherheit
geschaffen werden. Den Landesgesetzgebern bleibe im Übrigen ein
beträchtlicher Ausfüllungsspielraum, denn die Vorschrift enthalte
keine Regelungen über die Organe der Studierendenschaft, die
Aufgaben und Befugnisse dieser Organe, das Wahlverfahren zur Bildung
der Organe sowie zur Aufsicht über die Studierendenschaften. |
10 |
3. a) Der
Bundesrat verlangte auf den Gesetzesbeschluss des Bundestags hin die
Einberufung des Vermittlungsausschusses mit dem Ziel einer
grundlegenden Überarbeitung des Gesetzentwurfs (vgl. BRDrucks 356/02
<Beschluss>): Mit der rahmenrechtlichen Verankerung der
Gebührenfreiheit des Studiums überschreite der Bund seine
Gesetzgebungskompetenz nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a GG in
Verbindung mit Art. 72 GG. Es sei nicht erkennbar, dass ein
rahmenrechtliches Verbot der Erhebung von Studiengebühren zur
Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder
zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen
Interesse erforderlich sei. Das gelte auch für die rahmenrechtliche
Absicherung verfasster Studierendenschaften. Die Begründung des
Gesetzentwurfs, die tief greifenden finanziellen und strukturellen
Veränderungen im Hochschulwesen machten für den Staat einen
kompetenten Gesprächspartner auf Seiten der Studierendenschaft
notwendig, rechtfertige die Verpflichtung der Länder zur Bildung von
verfassten Studierendenschaften nicht. Auch eine andere Organisation
der Studentenvertretung gewährleiste einen kompetenten studentischen
Gesprächspartner für den Staat. Schließlich bedürfe das Gesetz gemäß
Art. 84 Abs. 1 GG der Zustimmung des Bundesrats, weil es mit der
verpflichtenden Bildung von Studierendenschaften die Einrichtung von
Behörden und das Verwaltungsverfahren regele. |
11 |
b) Der
Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses sah eine Bestätigung
des Gesetzentwurfs vor (vgl. BRDrucks 525/02). Der Bundesrat stimmte
dem Gesetz nicht zu; seinen vorsorglich eingelegten Einspruch (vgl.
BTDrucks 14/9605) wies der Bundestag zurück (vgl. Plenarprotokoll
des 14. Deutschen Bundestags vom 4. Juli 2002, S. 25089 A). Das
Gesetz wurde am 8. August 2002 durch den Bundespräsidenten
ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet. |
12 |
4. Die von den
Antragstellerinnen in der Sache angegriffenen Vorschriften lauten: |
13 |
Dem § 27 wird
folgender Absatz 4 angefügt: |
15 |
(4) Das Studium bis
zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und das Studium in einem
konsekutiven Studiengang, der zu einem weiteren
berufsqualifizierenden Abschluss führt, ist studiengebührenfrei. In
besonderen Fällen kann das Landesrecht Ausnahmen vorsehen. |
16 |
§ 41 wird wie folgt
gefasst: |
18 |
(1) An den
Hochschulen werden Studierendenschaften gebildet. Sie haben folgende
Aufgaben: |
21 |
1. die
Meinungsbildung in der Gruppe der Studierenden zu ermöglichen; |
22 |
2. die Belange
ihrer Mitglieder in Hochschule und Gesellschaft wahrzunehmen; |
23 |
3. an der Erfüllung
der Aufgaben der Hochschulen (§§ 2 und 3), insbesondere durch
Stellungnahmen zu hochschul- oder wissenschaftspolitischen Fragen
mitzuwirken; |
24 |
4. auf der
Grundlage der verfassungsmäßigen Ordnung die politische Bildung, das
staatsbürgerliche Verantwortungsbewusstsein und die Bereitschaft
ihrer Mitglieder zur aktiven Toleranz sowie zum Eintreten für die
Grund- und Menschenrechte zu fördern; |
25 |
5. kulturelle,
fachliche, wirtschaftliche und soziale Belange ihrer Mitglieder
wahrzunehmen; |
26 |
6. die Integration
ausländischer Studierender zu fördern; |
27 |
7. den
Studierendensport zu fördern; |
28 |
8. die
überregionalen und internationalen Studierendenbeziehungen zu
pflegen. |
29 |
Zur Erfüllung ihrer
Aufgaben kann die Studierendenschaft insbesondere auch zu solchen
Fragen Stellung beziehen, die sich mit der gesellschaftlichen
Aufgabenstellung der Hochschulen sowie mit der Anwendung der
wissenschaftlichen Erkenntnisse und der Abschätzung ihrer Folgen für
die Gesellschaft und die Natur beschäftigen. Die Studierendenschaft
und ihre Organe können für die Erfüllung ihrer Aufgaben Medien aller
Art nutzen und in diesen Medien auch die Diskussion und
Veröffentlichung zu allgemeinen gesellschaftlichen Fragen
ermöglichen. |
30 |
(2) Die
Studierendenschaft verwaltet ihre Angelegenheiten im Rahmen der
gesetzlichen Bestimmungen selbst. Sie kann von ihren Mitgliedern zur
Erfüllung ihrer Aufgaben Beiträge erheben. |
31 |
(3) Für die
Mitwirkung in den Organen der Studierendenschaft gilt § 37 Abs. 3
entsprechend. |
32 |
Mit ihrem
Normenkontrollantrag rügen die Antragstellerinnen die
Unvereinbarkeit des Sechsten Änderungsgesetzes mit dem Grundgesetz.
Das Gesetzgebungsrecht des Bundes und die erforderliche Zustimmung
des Bundesrats fehlten. |
33 |
1. Zwar sei die
Frage der Gebührenerhebung für den Besuch der Hochschulen dem
Hochschulwesen im Sinne von Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a GG
zuzuordnen. Der Bund dürfe diese Rahmenkompetenz aber nicht
wahrnehmen, weil die Voraussetzungen des Art. 75 Abs. 1 GG in
Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG nicht vorlägen. |
34 |
Ein
bundesgesetzliches Verbot der Erhebung von Studiengebühren sei weder
zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit noch zur Herstellung
gleichwertiger Lebensverhältnisse erforderlich. Es sei nicht
dargetan, dass sich ohne bundesgesetzliche Regelung die
Möglichkeiten und Chancen der Hochschulbildung in einzelnen Ländern
deutlich nachteilig entwickelten und hierdurch das bundesstaatliche
Sozialgefüge gestört werde. |
35 |
Zwar könnten sich
die Zugangschancen zu den Hochschulen in einzelnen Ländern
verschlechtern, wenn Studiengebühren aufgrund ihrer Höhe zu einer
sozialen Selektion der Studierenden führten; dies gelte aber nicht
bei sozial verträglichen und über Stipendienmodelle und
Befreiungsmöglichkeiten abgefederten Gebühren, die neben den
sonstigen Kosten eines Hochschulstudiums nicht entscheidend ins
Gewicht fielen. Internationale Vergleiche zeigten, dass in
Deutschland trotz der seit über 30 Jahren geltenden Gebührenfreiheit
des Studiums Kinder aus einkommensschwachen und bildungsfernen
Schichten an den Hochschulen unterrepräsentiert seien. Ein
unmittelbarer Zusammenhang zwischen Kostenfreiheit des Studiums und
Bildungsbereitschaft sei nicht belegt. So habe die Einführung
moderater Studiengebühren in Österreich zum Wintersemester 2001/2002
im Vergleich zum Vorjahr zwar zunächst zu einem Rückgang der
Studienanfänger um etwa 15 % geführt; zum Wintersemester 2002/2003
sei die Zahl aber wieder angestiegen und habe im Wintersemester
2003/2004 annähernd den früheren Stand erreicht. Dass
Studiengebühren in moderater Höhe zu einem nachhaltigen Rückgang der
Studierendenzahlen führten, sei nach dem von der Bundesregierung
angeführten Material ebenso wenig belegt wie ein positiver Einfluss
der Studiengebührenfreiheit, wie sie in der Bundesrepublik
Deutschland seit Anfang der siebziger Jahre bestehe. |
36 |
Soweit der
Bundesgesetzgeber ein einheitliches Verbot von Studiengebühren für
erforderlich halte, weil aufgrund des zu erwartenden Andrangs an
gebührenfreien Hochschulen Kapazitätsengpässe zu befürchten seien,
sei diese Erwägung nicht tragfähig. Denn die Mobilität der
Studierenden hänge vor allem von den jeweiligen
Zulassungsbedingungen der Hochschulen ab; ferner seien die
Vergleichbarkeit der Studienangebote, der Curricula und der
Abschlüsse sowie externe, vom Hochschulgesetzgeber nicht steuerbare
Rahmenbedingungen von Bedeutung. Insoweit fehlten fundierte
Prognosen. |
37 |
Darüber hinaus
überschreite der Bund die ihm durch Art. 75 Abs. 2 GG gezogenen
Grenzen der Rahmengesetzgebung. Dem Landesgesetzgeber bleibe kein
substanzieller Spielraum für eine Ausfüllung der Rahmenvorschrift.
Dass das Landesrecht nach § 27 Abs. 4 Satz 2 HRG in besonderen
Fällen Ausnahmen vorsehen könne, führe zu keiner anderen
Beurteilung. Den Ländern verbleibe die Entscheidungsfreiheit für
Zweitstudien, nicht-konsekutive postgraduale sowie weiterbildende
Studien. Damit werde das im Wesen der Rahmengesetzgebung angelegte
und in Art. 75 Abs. 2 GG ausdrücklich vorgesehene
Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt; die wesentlichen Fragen würden
vom Bundesgesetzgeber abschließend und ohne Entscheidungsalternative
für die Länder entschieden, denen nur noch Randbezirke zur
eigenständigen Ausfüllung verblieben. |
38 |
2. Auch für den
Erlass einer Regelung über die Studierendenschaften fehle dem Bund
die Zuständigkeit. Die Einrichtung von Studierendenschaften betreffe
zwar Fragen der Hochschulorganisation und der Selbstverwaltung der
Hochschulen, die stets eine zentrale Thematik des Hochschulrechts
bildeten und damit der Kompetenzmaterie des Hochschulwesens nach
Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a GG zuzuordnen seien. Der Bund habe aber
auch hier die Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung
nicht dargelegt. Die zwangsverfasste Studierendenschaft sei im
europäischen Vergleich der Ausnahmefall, in anderen europäischen
Staaten existierten überwiegend frei gebildete
Studentenorganisationen. Vor diesem Hintergrund sei schwerlich
einsehbar, warum in der Bundesrepublik Deutschland die Existenz
öffentlich-rechtlicher Zwangskörperschaften so dringend geboten sein
solle, dass dies vom Bundesgesetzgeber den Ländern und ihren
Hochschulen zwingend und ohne Entscheidungsalternative
vorgeschrieben werden müsse. Die in der Gesetzesbegründung
angeführte Notwendigkeit einer bundesweiten Vertretung der
Studierenden und eines kompetenten und repräsentativen
Gesprächspartners für den Staat und insbesondere für die
Bundesregierung sei ein bloßer Gemeinwohlbelang, der ein Tätigwerden
des Bundesgesetzgebers im Rahmen des Art. 72 Abs. 2 GG nicht
legitimieren könne. Es sei in erster Linie Sache der Länder, wen sie
als repräsentativen und kompetenten Gesprächspartner ansähen. |
39 |
Mit der
detaillierten Aufgabenzuweisung des § 41 Abs. 1 Satz 2 bis 4 HRG n.F.
habe der Gesetzgeber zudem die zulässigen Grenzen der
Rahmengesetzgebung nach Art. 75 Abs. 2 GG überschritten. Das seien
in die Einzelheiten gehende Regelungen im Sinne von Art. 75 Abs. 2
GG. Im Kontext des Sechsten Änderungsgesetzes stellten die
Regelungen nicht mehr die Ausnahme dar. Gesichtspunkte, die ein
besonders starkes und legitimes Interesse an einer in die
Einzelheiten gehenden Regelung durch den Bund begründeten, seien
nicht ersichtlich. Schließlich sei mit den nach Art. 75 Abs. 2 GG
nicht gerechtfertigten Detailregelungen über die Aufgaben der
Studierendenschaft auch die Beschränkung des Bundesgesetzgebers auf
allgemeine Grundsätze des Hochschulwesens nicht mehr gewahrt. |
40 |
3. Das Sechste
Änderungsgesetz sei darüber hinaus mangels Zustimmung des Bundesrats
unwirksam. Nach Art. 84 Abs. 1 GG sei Art. 1 Nr. 4 6. HRGÄndG
zustimmungsbedürftig gewesen, weil die Vorschrift den Ländern
vorschreibe, an ihren Hochschulen eine bestimmte Behörde, nämlich
Studierendenschaften, einzurichten. Die Zustimmungsbedürftigkeit
umfasse das ganze Gesetz. |
41 |
Zu dem
Normenkontrollantrag haben der Bundesrat, die Bundesregierung, die
Landtage von Baden-Württemberg, Bayern und Thüringen, die
Landesregierung von Thüringen, die Hochschulrektorenkonferenz, das
Deutsche Studentenwerk sowie der Freie Zusammenschluss von
Studentinnenschaften Stellung genommen. |
42 |
1. Die
Bundesregierung hält das Sechste Änderungsgesetz für
verfassungsgemäß. |
43 |
a) Mit dem
Studiengebührenverbot habe der Bundesgesetzgeber einen "allgemeinen
Grundsatz des Hochschulwesens" festgelegt. Die Regelung sei gemäß
Art. 72 Abs. 2 GG im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich. |
44 |
Der
Bundesgesetzgeber habe sich zum Eingreifen veranlasst und ermächtigt
gesehen, weil sich anderenfalls die Lebensverhältnisse in den
Ländern der Bundesrepublik in erheblicher, das bundesstaatliche
Sozialgefüge beeinträchtigender Weise auseinander entwickelten und
sich diese Entwicklung bereits jetzt konkret abzeichne. Hierfür
seien die möglichen Folgen für die Entwicklung der
Studienverhältnisse in Deutschland abzuschätzen, die ohne die
Regelung der grundsätzlichen Gebührenfreiheit mit Wahrscheinlichkeit
einträten. |
45 |
Die Entwicklung in
Österreich, wo zum akademischen Jahr 2001/2002 moderate
Studiengebühren in Höhe von 363 € je Semester eingeführt worden
seien, zeige, dass die Gesamtzahl der Studierenden um 20 %, die Zahl
der Studienanfänger um 15,8 % gesunken sei. Dass die Zahlen danach
wieder angestiegen seien, dürfte an der steigenden Zahl der
Studiumsberechtigten sowie der allgemeinen wirtschaftlichen
Entwicklung in Österreich liegen, die junge Menschen trotz der
Erhebung von Studiengebühren verstärkt zu einem Studium bewegten.
Auch die Zahlen aus anderen Ländern zeigten, dass ein Zusammenhang
zwischen der Einführung von Studiengebühren und der Realisierung der
Studierneigung insbesondere bei Studierwilligen aus sozial
schwächeren Familien bestehe. So sei beispielsweise in Australien
die Zahl der Studierenden auch nach Einführung des "Higher Education
Contribution Scheme (HECS)" seit 1989 insgesamt angestiegen, doch
habe der Anteil der Studierenden aus den einkommensschwachen
Schichten abgenommen. |
46 |
Die Situation in
Deutschland sei durch zwei Grunddaten charakterisiert, die bei der
Entscheidung über Gebührenfreiheit oder -pflichtigkeit des Studiums
nicht außer Betracht bleiben dürften: Zum einen sei die Quote der
Studienanfänger in einem Altersjahrgang im internationalen Vergleich
noch immer unterdurchschnittlich gering. Nach einer im September
2003 veröffentlichten Studie der OECD sei der Anteil der
Studienanfänger im Tertiärbereich (Universitäten und
Fachhochschulen) in Deutschland zwar von 28 % im Jahr 1998 auf 32 %
im Jahr 2001 angestiegen; er liege aber noch erheblich unter dem
Durchschnitt von 47 % und erst recht in weitem Abstand zu den
Spitzenländern Neuseeland (76 %), Finnland (72 %) oder Schweden
(69 %). Das zweite Grunddatum sei das Absinken des
Studierendenanteils aus bildungsfernen und einkommensschwachen
Gruppen der Bevölkerung. Während diese Quote von 1982 bis 2000 von
23 % auf 13 % zurückgegangen sei, sei der Anteil der Studierenden
aus der einkommensstarken Herkunftsgruppe im gleichen Zeitraum von
17 % auf 33 % angestiegen. Diese Entwicklung müsse unter dem Aspekt
der Gleichheit der Zugangschancen zu höherer Bildung und
qualifizierter Berufsausbildung als eine erhebliche Beeinträchtigung
des bundesstaatlichen Sozialgefüges angesehen werden. Denn die
Prognose, dass sich diese Negativentwicklung fortsetzen werde, wenn
die grundsätzliche Gebührenfreiheit des Studiums durch die
Hochschulgesetze einiger Länder aufgehoben würde, erscheine
plausibel. Nach dem Scheitern eines Staatsvertrags auf der Grundlage
der Vereinbarung der Kultusministerkonferenz vom 25. Mai 2000 hätten
sich Regierungsvertreter der Länder Baden-Württemberg, Niedersachsen
und Bayern für die Einführung von Studiengebühren ausgesprochen.
Demgegenüber hätten andere Länder an der grundsätzlichen
Gebührenfreiheit festhalten wollen. Die Regelung des § 27 Abs. 4 HRG
sei als der Versuch zu sehen, die drohende Auseinanderentwicklung in
der Frage der Gebührenfreiheit des Erststudiums und die damit
drohende Gefährdung des Rechtsgutes gleichwertige Lebensverhältnisse
in der Bundesrepublik Deutschland aufzuhalten und abzuwenden. |
47 |
Es müssten auch
die absehbaren Folgen in Betracht gezogen werden, die sich für die
Wahl des Studienorts und die Freizügigkeit der Studierenden mit
Wahrscheinlichkeit aus einer regional unterschiedlichen Entwicklung
der Gebührensituation ergeben würden. Die Einführung von
Studiengebühren in nur einzelnen Ländern löse Wanderungsbewegungen
von Studierenden aus. Im Zusammenhang mit der Erhebung von
Langzeitstudiengebühren in einigen Ländern habe sich gezeigt, dass
schon geringfügig scheinende Abweichungen in den rechtlichen
Rahmenbedingungen aufgrund von Migrationen der Studierenden für eine
Verzerrung und Belastung des Hochschulwesens sorgten. Die aus sozial
schwächeren Elternhäusern stammenden Studierenden seien hinsichtlich
ihrer Wahlmöglichkeiten benachteiligt, weil sie aus finanziellen
Gründen auf das Verbleiben in der elterlichen Wohnung angewiesen
seien. Die besser bemittelten Studierenden seien hingegen eher in
der Lage, durch die Wahl des Studienortes (in einem "gebührenfreien
Land") der Belastung durch Studiengebühren auszuweichen. Auch die an
sich erwünschte Freizügigkeit der Studierenden könne in
Mitleidenschaft gezogen werden. Die Wahl des Studienortes werde zwar
von den jeweiligen Zulassungsbedingungen der Hochschulen, von der
Vergleichbarkeit der Studienangebote, der Curricula und der
Abschlüsse beeinflusst; dies sage aber nichts über die zusätzlich
eintretende Wirkung des Faktors "Gebührenpflicht" aus. Sie treffe in
einer die Chancengleichheit verkürzenden Weise insbesondere die
minderbemittelten Studierenden aus den so genannten bildungsfernen
Schichten. Eine wesentlich erhöhte Nachfrage nach Studienplätzen an
"gebührenfreien Universitäten" und eine entsprechende
Verschlechterung der dortigen Studienbedingungen seien
wahrscheinlich. |
48 |
Eine
bundeseinheitliche Festschreibung der grundsätzlichen
Gebührenfreiheit für das Erststudium sei auch zur Wahrung der
Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich.
Ebenso wie im Bereich der beruflichen Bildung könne es im tertiären
Bildungsbereich durch unterschiedliche Zugangs- und
Zulassungsvoraussetzungen zu Ballungen oder Ausdünnungen in
bestimmten Regionen kommen, die erhebliche Nachteile für die Chancen
des Nachwuchses und für die Berufssituation im Gesamtstaat
hervorriefen. Einer solchen absehbaren, die Wirtschaftseinheit im
gesamtstaatlichen Interesse gefährdenden Entwicklung habe der
Bundesgesetzgeber mit der Verpflichtung der Länder auf den Grundsatz
der Gebührenfreiheit des Erststudiums entgegengewirkt. Er habe damit
zugleich einer drohenden Rechtszersplitterung vorgebeugt. |
49 |
§ 27 Abs. 4 HRG
bedürfe keiner besonderen Rechtfertigung nach Art. 75 Abs. 2 GG,
weil er weder eine Vollregelung noch eine unmittelbar geltende oder
eine in Einzelheiten gehende Regelung darstelle. § 27 Abs. 4 HRG
habe nur Grundsatzcharakter und fordere eine prägende Ausfüllung
durch den Landesgesetzgeber. Ohne landesrechtliche Regelung entstehe
kein vollzugsfähiges Normenwerk über den Komplex "Studiengebühren".
Den Ländern stehe offen, Gebührenregelungen über Zweitstudien und
sonstige weiterführende Studien zu treffen sowie Studienkonten oder
Bildungsguthaben einzuführen. |
50 |
b) Mit der
Regelung über die Studierendenschaften habe der Bundesgesetzgeber
eine Grundsatzentscheidung organisatorischer Art im Hochschulwesen
getroffen, die sich auf Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a GG stützen
könne. Der Charakter dieser Grundsatzregelung als bloße
Rahmenregelung ergebe sich aus ihrer Offenheit und
Ausfüllungsbedürftigkeit durch landesrechtliche Einzelregelungen.
Die Einrichtung und die Aufgabenbestimmung der Studierendenschaft
seien sowohl zur Herstellung und Wahrung gleichwertiger
Lebensverhältnisse im ganzen Bundesgebiet als auch zur Wahrung der
hierfür notwendigen Rechtseinheit erforderlich. Der
Bundesgesetzgeber habe das Risiko einer bundesweiten
Rechtszersplitterung durch unterschiedliche rechtliche Definitionen
des zulässigen "hochschulpolitischen Mandats" der Studierendenschaft
in den Ländern verringern wollen. Die Einrichtung von
Studierendenschaften sei ferner nicht nur zur Wahrnehmung
spezifischer Interessen der Studierenden nach außen, sondern auch zu
deren individueller Beratung an den Hochschulen erforderlich. |
51 |
c) Das Sechste
Änderungsgesetz habe der Zustimmung des Bundesrats nicht bedurft.
Denn Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a GG gebe dem Bund das
zustimmungsfreie Recht, Rahmenregeln über eine Landeseinrichtung,
nämlich die Hochschulen, zu treffen. Der Zustimmung des Bundesrats
bedürften nur solche Gesetze, bei denen das Grundgesetz dies
ausdrücklich anordne. Die vom Grundgesetz getroffene Entscheidung,
wonach auf Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a GG gestützte
Rahmenvorschriften kein Zustimmungsrecht des Bundesrats auslösten,
dürfe nicht durch den Rückgriff auf die allgemeine Regelung des
Art. 84 Abs. 1 GG konterkariert werden. Die Voraussetzungen des
Art. 84 Abs. 1 GG seien im Übrigen nicht erfüllt, weil die
Vorschriften des angegriffenen Gesetzes erst noch der Umsetzung
durch Legislativakte der Landesgesetzgeber bedürften. |
52 |
2. Der Bundesrat,
die Landtage von Baden-Württemberg, Bayern und Thüringen und die
Landesregierung von Thüringen halten in grundsätzlicher
Übereinstimmung mit den antragstellenden Landesregierungen das
Sechste Änderungsgesetz für verfassungswidrig. |
53 |
3. Die
Hochschulrektorenkonferenz lehnt die Aufnahme eines
Studiengebührenverbots in das Hochschulrahmengesetz ab. Ein
rahmenrechtliches Studiengebührenverbot sei für die weitere
Entwicklung der deutschen Hochschulen nicht förderlich. Das
Hochschulstudium sei aufgrund der Kostenfreiheit gegenüber anderen
(vor allem beruflichen) Ausbildungswegen privilegiert: Die an den
Hochschulen überrepräsentierten Kinder aus einkommensstärkeren
Schichten seien durch die Kostenfreiheit zusätzlich bevorzugt; die
notwendige Qualitätssteigerung der Hochschulausbildung könne nicht
allein aus öffentlichen Mitteln bestritten werden; schließlich
erzielten Hochschulabsolventen im Laufe ihres beruflichen Lebens
einen erheblichen individuellen geldwerten Nutzen, der in keinem
vertretbaren Verhältnis zu ihrer Beteiligung an der Finanzierung der
Ausbildung stehe. Die Einführung von Studiengebühren habe im Ausland
nicht zu einer veränderten Studienbeteiligung geführt, sofern die
Gebühren sozial abgefedert gewesen seien. |
54 |
Für die
Notwendigkeit der Einrichtung von verfassten Studierendenschaften
durch bundesgesetzliche Regelung bestünden keine Anhaltspunkte. Der
nationale und internationale Vergleich zeige, dass Selbstverwaltung
auch ohne zwangsverfasste Studierendenschaften funktioniere. Aus
unterschiedlichen Formen der Interessenvertretung folgten nicht
notwendig schlechtere Studienbedingungen in den jeweiligen Ländern.
Schließlich trage die Mitwirkung von Studierenden in den
Selbstverwaltungsgremien der Hochschulen dem Mitwirkungsbedarf in
hochschulpolitischer Hinsicht ausreichend Rechnung. |
55 |
4. Das Deutsche
Studentenwerk hält das Verbot der Erhebung von Studiengebühren für
verfassungsgemäß. Ohne bundeseinheitliches Verbot drohten
- abgesehen von einer Rechtszersplitterung für das Unterhaltsrecht
und das Recht der Ausbildungsförderung - konkrete Nachteile für das
Rechtsgut Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Erhöhe sich
die bisher schon bestehende finanzielle Belastung durch die
Lebenshaltungskosten für ein Studium durch die Erhebung von
Studiengebühren ab dem ersten Semester, hingen Studienentscheidungen
noch wesentlich stärker als bisher von den finanziellen
Möglichkeiten des Elternhauses ab. Dies treffe insbesondere
bildungsferne und einkommensschwache Bevölkerungsschichten und
vertiefe die auf dem Weg zum Studium ohnehin bestehende soziale
Selektion. |
56 |
5. Der freie
Zusammenschluss von Studentinnenschaften hält das 6. HRGÄndG für
verfassungsgemäß. |
57 |
Bei der
Entscheidung über die Aufnahme eines Studiums komme der finanziellen
Situation der Studierwilligen erhebliche Bedeutung zu. Nach dem
aktuellen Stand der Diskussion könnten Studiengebühren nicht
sozialverträglich gestaltet werden, weil die diskutierten Modelle
weit reichender Stipendiensysteme sowie nachgelagerter
Studiengebühren gegenwärtig nicht realisierbar seien.
Studiengebühren bedeuteten außerdem ein beträchtliches
Mobilitätshemmnis und erschwerten die Zugangsbedingungen speziell
für Kinder aus finanziell schwachen Familien. Ferner sei ein Ansturm
auf Hochschulen in Ländern ohne Studiengebühren zu befürchten. |
58 |
Auch eine
bundesgesetzliche Regelung über die Studierendenschaften sei
erforderlich, weil für Fragen der Ausbildungsförderung, des
Hochschulbaus und der Hochschulfinanzierung ein Ansprechpartner auf
studentischer Seite nötig sei. Eine wirksame Interessenvertretung
der Studierenden sei ohne verfasste Studierendenschaften nicht
möglich. Auch sei ohne sie eine Reihe von Beratungs- und
Serviceangeboten für die Studierenden im Hochschulalltag nur sehr
eingeschränkt oder gar nicht verfügbar. |
59 |
In der mündlichen
Verhandlung am 9. November 2004 haben die Antragstellerinnen und die
Bundesregierung ihre Rechtsstandpunkte erläutert und vertieft. |
60 |
Der nach Art. 93
Abs. 1 Nr. 2 GG, § 13 Nr. 6 in Verbindung mit § 76 Abs. 1 Nr. 1
BVerfGG zulässige Normenkontrollantrag führt zu der Feststellung,
dass das Sechste Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes
(6. HRGÄndG) vom 8. August 2002 (BGBl I
S. 3138) in Art. 1 Nrn. 3 und 4 mit
Art. 70, Art. 75 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG
unvereinbar und insoweit nichtig ist. |
61 |
Die Bestimmung des
Art. 1 Nr. 3 6. HRGÄndG, nach der das Studium bis zum ersten
berufsqualifizierenden Abschluss und das Studium in einem
konsekutiven Studiengang, der zu einem weiteren
berufsqualifizierenden Abschluss führt, studiengebührenfrei ist und
das Landesrecht in besonderen Fällen Ausnahmen vorsehen kann (§ 27
Abs. 4 HRG), regelt zwar allgemeine Grundsätze des Hochschulwesens
und fällt damit dem Gegenstand nach in die
Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 75 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1a GG). Dem Bund fehlt jedoch - jedenfalls gegenwärtig - gemäß
Art. 75 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG das
Gesetzgebungsrecht. |
62 |
1. a) Die
Gesetzgebungsmaterie des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a GG an sich ist
weit gefasst. Der Begriff "Hochschulwesen" lässt es nicht zu, von
vornherein bestimmte Angelegenheiten der Hochschulen auszugrenzen
(zur Definition der Hochschule
BVerfGE 37, 314 <321>;
s. ferner §§ 1 ff. HRG). Auch die Entstehungsgeschichte lässt einen
Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers, die durch
Rahmengesetzgebung des Bundes regelbaren Gegenstände in sachlicher
Hinsicht zu beschränken, nicht erkennen; die Schranken der
Regelungsbefugnis des Bundes sind vielmehr in Art. 75 GG anderweit
verankert worden (vgl. Urteil vom 27. Juli 2004 - 2 BvF 2/02 -, NJW
2004, S. 2803; zur Entstehungsgeschichte S. 2806). Der Titel
"Hochschulwesen" umfasst auch Regelungen über die Erhebung von
Studiengebühren als nichtsteuerliche Abgabe (vgl.
BVerfGE 108, 1 <13 f.>). |
63 |
b) Allerdings
erstreckt sich die Regelungsbefugnis des Bundes lediglich auf "die
allgemeinen Grundsätze" des Hochschulwesens. Der Bund ist im
Hochschulbereich zu einer außerordentlich zurückhaltenden
Gesetzgebung verpflichtet. Den Ländern muss im Bereich des
Hochschulwesens noch mehr an Raum für eigene Regelungen verbleiben
als in sonstigen Materien der Rahmengesetzgebung. Dies schließt es
freilich nicht aus, dass der Bundesgesetzgeber auch hier
ausnahmsweise nähere bis in Einzelheiten gehende oder unmittelbar
geltende Regelungen trifft (vgl. im Einzelnen Urteil vom 27. Juli
2004, a.a.O., S. 2806). |
64 |
Die Frage, ob die
Studierenden nicht nur in besonderen Fällen, sondern generell zu
einem individuellen Beitrag zur Finanzierung der Hochschulen
herangezogen werden dürfen, betrifft die allgemeinen Grundsätze des
Hochschulwesens. Aus der Sicht der Studierenden geht es um die
Ausgestaltung der Studienbedingungen, aus der Sicht der Hochschulen
und ihrer staatlichen Träger um die Frage, auf welche
Einnahmequellen sie zurückgreifen können. Vor allem vor dem
Hintergrund, dass seit dem Jahr 1970 keine allgemeinen
Studiengebühren erhoben werden, wird mit der Entscheidung, daran
festzuhalten, unter beiden Aspekten ein allgemeiner
hochschulpolitischer Grundsatz fixiert, für den der
Bundesgesetzgeber den Kompetenztitel des Art. 75 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1a GG in Anspruch nehmen kann. |
65 |
2. Gemäß Art. 75
Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG darf der Bund
Rahmenvorschriften nur erlassen, wenn und soweit die Herstellung
gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung
der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse
eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Dass diese
Voraussetzungen erfüllt sind, ist nicht dargetan. |
66 |
a) Zur Herstellung
gleichwertiger Lebensverhältnisse ist eine bundesgesetzliche
Regelung erst dann erforderlich, wenn sich die Lebensverhältnisse in
den Ländern der Bundesrepublik in erheblicher, das bundesstaatliche
Sozialgefüge beeinträchtigender Weise auseinander entwickelt haben
oder sich eine derartige Entwicklung konkret abzeichnet (vgl.
BVerfGE 106, 62 <144>). |
67 |
Aus den im
Gesetzgebungsverfahren dokumentierten Erwägungen und dem Vorbringen
der Bundesregierung im Normenkontrollverfahren ergibt sich die
Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung über die Erhebung
von Studiengebühren unter dem Aspekt gleichwertiger
Lebensverhältnisse nicht. |
68 |
aa) Der
Bundesgesetzgeber hat sich zunächst darauf gestützt, dass die
Debatte über die Einführung von Studiengebühren zu einer
Verunsicherung derjenigen führe, die in den nächsten Jahren ein
Studium aufnehmen wollten; dies könne in letzter Konsequenz zu einem
Rückgang der Zahl der Studienanfänger führen. Mit der Festschreibung
der Gebührenfreiheit würden Rechtssicherheit geschaffen und die
Studierneigung positiv und für das gesamte Bundesgebiet unterstützt
(vgl. BTDrucks 14/8361 S. 4; 14/8732 S. 6). Die Bundesregierung hat
ihr Anliegen, im Interesse der Förderung der Studierneigung und der
Heranführung bildungsferner Bevölkerungskreise an das
Hochschulstudium ein gebührenfreies Erststudium zu gewährleisten, im
Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht vertieft und ihre
Befürchtung abschreckender Wirkungen von Studiengebühren unter
Hinweis auf ausländische Erfahrungen näher begründet. |
69 |
Auf die
bildungspolitische Einschätzung der Erhebung allgemeiner
Studiengebühren und des dazu vorgelegten Materials kommt es hier
indes nicht an. |
70 |
Ein die Regelung
des § 27 Abs. 4 HRG rechtfertigendes besonderes Interesse an
bundeseinheitlicher Regelung, wie es das Bundesverfassungsgericht
zur Neufassung des Art. 72 Abs. 2 GG durch die Verfassungsreform
1994 entwickelt hat (BVerfGE 106, 62
<143 ff.>), ergibt sich nicht bereits aus
dem (sozialstaatlichen) Anliegen, möglichst breiten Kreisen der
Bevölkerung den Zugang zum Hochschulstudium zu eröffnen und
diesbezügliche Barrieren abzubauen oder gar nicht erst zu errichten.
Ein derartiges Interesse bestünde nur dann, wenn sich abzeichnete,
dass die Erhebung von Studiengebühren in einzelnen Ländern zu einer
mit dem Rechtsgut Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse
unvereinbaren Benachteiligung der Einwohner dieser Länder führt.
Dafür bestehen jedoch zurzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte. |
71 |
Der
Bundesgesetzgeber selbst geht davon aus, dass die Studienbewerber
und Studierenden in erheblichem Ausmaß bereit und in der Lage sind,
durch die Wahl des Studienorts und der Hochschule auf die Erhebung
von Studiengebühren zu reagieren (dazu bb>). Wie die mündliche
Verhandlung bestätigt hat, ist für diese Wahl - einschließlich der
Entscheidung für ein Studium in Heimatnähe - zudem eine Vielzahl von
Faktoren bedeutsam, deren jeweiliges Gewicht für die individuelle
Entscheidung nicht ohne weiteres einschätzbar ist und sich auch mit
Hilfe der vorliegenden sozialwissenschaftlichen Untersuchungen nicht
sicher erschließt. Soweit finanzielle Erwägungen danach bei der Wahl
des Studienorts überhaupt eine Rolle spielen, ist zu beachten, dass
Studiengebühren in der bislang diskutierten Größenordnung von 500 €
je Semester im Vergleich zu den - von Ort zu Ort unterschiedlichen -
Lebenshaltungskosten von nachrangiger Bedeutung sind. Vor allem aber
ist davon auszugehen, dass die Länder in eigenverantwortlicher
Wahrnehmung der sie - nicht anders als den Bund - treffenden Aufgabe
zu sozialstaatlicher, auf die Wahrung gleicher Bildungschancen
(Art. 3, Art. 7 Abs. 4 Satz 3, Art. 12 Abs. 1 GG; Art. 13 Abs. 1
Satz 1, Abs. 2 Buchstabe c des Internationalen Paktes über
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember 1966
<BGBl II 1973 S. 1569>;
vgl. BVerwGE 102, 142 <147>; 115, 32 <37, 49>) bedachter Regelung
bei einer Einführung von Studiengebühren den Belangen
einkommensschwacher Bevölkerungskreise angemessen Rechnung tragen
werden. Zwar kann trotz alledem nicht ausgeschlossen werden, dass
Einzelne durch Studiengebühren unausweichlich und in
überdurchschnittlich hohem Maß belastet werden. Die nicht näher
quantifizierte Möglichkeit derartiger Fälle rechtfertigt zumindest
derzeit kein Eingreifen des Bundesgesetzgebers unter dem Aspekt der
Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse gemäß Art. 72 Abs. 2
GG. |
72 |
bb) Der
Bundesgesetzgeber und die Bundesregierung halten den Ausschluss von
Studiengebühren für Erststudien und konsekutive Studiengänge zur
Verwirklichung der Zielsetzung des Art. 72 Abs. 2 GG, gleichwertige
Lebensverhältnisse herzustellen, ferner für erforderlich, weil nicht
ausgeschlossen werden könne, dass die Einführung von Studiengebühren
in einzelnen Ländern zu einem Wechsel dortiger Studienbewerber und
Studierender an Hochschulen derjenigen Länder führt, die keine
Studiengebühren erheben; dadurch könne es zu erheblichen
Kapazitätsproblemen und finanziellen Belastungen und in der Folge zu
einer nennenswerten Verschlechterung der Studienbedingungen in
diesen Ländern kommen (vgl. BTDrucks 14/8361 S. 4; 14/8732 S. 6).
Auch damit wird die Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen
Regelung nicht gestützt. |
73 |
(1) Die mündliche
Verhandlung hat bestätigt, dass eine Entwicklung dieser Art zwar
nicht ausgeschlossen werden kann, sich nach gegenwärtigem
Erkenntnisstand jedoch nicht konkret abzeichnet. Wie bereits
angesprochen, ist nicht ausreichend belegt, dass Studierende den
Studienort maßgeblich unter dem Aspekt möglicher Studiengebühren
wählen. Wie die Bundesregierung im Wesentlichen einräumt, spielen
Gesichtspunkte wie die Lebenshaltungskosten und etwaige
Studiengebühren vielmehr eine nachrangige Rolle; dies zeigen die in
der mündlichen Verhandlung diskutierten Beispiele von Hochschulen,
deren Kapazitäten trotz niedriger Lebenshaltungskosten und
vermeintlicher anderer Vorteile nicht ausgeschöpft werden. |
74 |
Diese Einschätzung
wird nicht durch die Tatsache erschüttert, dass nach Einführung von
Langzeitstudiengebühren in Hessen im Sommersemester 2004 rund 1400
Studierende hauptsächlich von hessischen Hochschulen an die
Universität Mainz gewechselt sind, während die Zahl zuvor nur etwa
200 bis 250 betrug. Die besondere Interessenlage bei einem Teil
derjenigen, die dieser speziellen Art der Gebühr entgehen wollen,
sowie die besonderen räumlichen Verhältnisse im Rhein-Main-Gebiet
und dessen Infrastruktur bieten dafür eine plausible Erklärung, die
nicht durch den Vortrag anderer maßgeblicher Umstände in Frage
gestellt worden ist. Zudem genügt ein einmaliger Vorgang nicht, um
die nahe liegende Annahme zu widerlegen, dass mit der Überbelegung
einer Hochschule verbundene Qualitätsverluste regulierend auf das
Verhalten der Studierenden einwirken und sich dadurch binnen Kurzem
eine - jedenfalls auf das Ganze gesehen - hinnehmbare, wenn nicht
sogar ausgewogene Inanspruchnahme der Hochschulen einstellt. Im
Übrigen darf bei der Prognose über den Einfluss von Studiengebühren
auf die Entscheidung der Studierenden, an studiengebührenfreie
Hochschulen zu wechseln, die Erwartung, dass das Aufkommen aus
Studiengebühren entsprechend den vorliegenden Konzepten den
Hochschulen verbleibt und damit mögliche Verbesserungen der
Studienbedingungen ihre Attraktivität steigern, nicht von vornherein
- etwa wegen Bedenken im Hinblick auf ihre politische
Durchsetzbarkeit angesichts der Haushaltslage der Länder -
ausgeklammert werden. |
75 |
(2) Die
Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse erfordert nach den vom
Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäben eine
bundesgesetzliche Regelung aber auch dann nicht, wenn angenommen
werden könnte, dass Unterschiede in der Erhebung von Studiengebühren
zwischen den Ländern erhebliche Wanderungsbewegungen auslösen
würden. Keine der insoweit in Frage kommenden Erwägungen greift
durch. |
76 |
Verschlechterungen
der Studienbedingungen an einzelnen Hochschulen schränken die freie
Wahl der Ausbildungsstätte (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) nicht ein.
Anders als in Fragen der Zulassung zum Studium ist im vorliegenden
Zusammenhang das Hochschulwesen in Deutschland nicht in dem Sinne
als ein zusammenhängendes System anzusehen, dass im Interesse
länderübergreifender Nutzung der Ausbildungskapazitäten
grundsätzlich eine bundesweite Reglementierung erforderlich wäre
(vgl.
BVerfGE 33, 303 <352>).
Soweit die Bundesregierung auf gleichheitswidrige Beeinträchtigungen
der Freizügigkeit von Studierenden verweist, die sich den Folgen der
Erhebung von Studiengebühren aus finanziellen Gründen nicht
entziehen können, fehlt es bereits an ausreichenden Belegen dafür,
dass eine beachtliche Zahl von Studierenden betroffen ist. |
77 |
Das
Normenkontrollverfahren hat auch keinen Hinweis darauf erbracht,
dass die prognostizierte Belastung der Hochschulen und Studierenden
einzelner Länder über die in der bundesstaatlichen Ordnung des
Grundgesetzes angelegte Bandbreite unterschiedlicher
Lebensverhältnisse hinausgehen könnte. Sinn der föderalen
Verfassungssystematik ist es, den Ländern eigenständige
Kompetenzräume für partikular-differenzierte Regelungen zu eröffnen
(BVerfGE 106, 62 <150>).
In diesem System ist enthalten, dass in Materien wie der
Hochschulbildung, die durch hohe Mobilität des angesprochenen
Personenkreises gekennzeichnet sind, durch die jeweilige
Landesgesetzgebung Wanderungsbewegungen ausgelöst werden können.
Daraus resultierende Nachteile hat ein Land - vorbehaltlich des
Verstoßes gegen die Pflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme durch
ein anderes Land (vgl.
BVerfGE 43, 291 <348>) -
grundsätzlich in eigener Verantwortung zu bewältigen. Sache der
demokratisch legitimierten Organe des betroffenen Landes ist es,
darüber zu befinden, ob als nachteilig eingeschätzte Entwicklungen
hingenommen oder welche gegensteuernden Maßnahmen ergriffen werden.
Voraussetzung einer bundesgesetzlichen Regelung ist insoweit, dass
vorhersehbare Einbußen in den Lebensverhältnissen von den
betroffenen Ländern durch eigenständige Maßnahmen entweder gar nicht
oder nur durch mit den anderen Ländern abgestimmte Regelungen
bewältigt werden können (vgl.
BVerfGE 106, 62 <150>).
Dies lässt sich hier nicht feststellen. |
78 |
Den befürchteten
Kapazitätsengpässen kann, soweit nötig, mit Hilfe von
Zulassungsbeschränkungen begegnet werden. Was die weiter
prognostizierten Folgen für die Studienbedingungen angeht, lässt
sich dem Vorbringen der Bundesregierung nicht entnehmen, warum die
Gestaltungsmöglichkeiten der einzelnen Länder nicht ausreichen
sollten, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im gebotenen
Umfang sicherzustellen. Die Erwägung, dass durch die Entscheidung
einzelner Länder, allgemeine Studiengebühren zu erheben, die anderen
Länder - etwa aus Wettbewerbsgründen - politisch gezwungen sein
könnten, ebenfalls Studiengebühren einzuführen, zeigt keine Gefahr
für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse auf und ist daher
nicht geeignet, die angegriffene Bestimmung unter diesem
Gesichtspunkt vor Art. 72 Abs. 2 GG zu rechtfertigen. |
79 |
b) Die Wahrung der
Wirtschaftseinheit im Sinne von Art. 72 Abs. 2 GG liegt im
gesamtstaatlichen Interesse, wenn es um die Erhaltung der
Funktionsfähigkeit des Wirtschaftsraums der Bundesrepublik durch
bundeseinheitliche Rechtsetzung geht, wenn also Landesregelungen
oder das Untätigbleiben der Länder erhebliche Nachteile für die
Gesamtwirtschaft mit sich brächten (vgl.
BVerfGE 106, 62 <146 f.>).
Die Regelung des § 27 Abs. 4 HRG findet unter keinem der insoweit in
Frage kommenden Aspekte eine Rechtfertigung. |
80 |
Die
Bundesregierung hat nicht vorgetragen, und es ist auch nicht
ersichtlich, dass unterschiedliche Landesregelungen über die
Erhebung von Studiengebühren das - auch im gesamtwirtschaftlichen
Interesse liegende - Ziel, möglichst viele Befähigte an das Studium
heranzuführen und ihnen einen berufsqualifizierenden
Hochschulabschluss zu ermöglichen, in erheblicher Weise
beeinträchtigen könnten. Die Länder sind bundesrechtlich
verpflichtet, den Hochschulunterricht auf geeignete Weise jedermann
gleichermaßen entsprechend seinen Befähigungen zugänglich zu machen
(oben a> aa>). Es ist daher davon auszugehen, dass die Länder die
bezeichnete gesamtstaatliche Zielsetzung zur Grundlage ihrer
bildungspolitischen Entscheidungen machen. Solange sich
gegenteilige, für die Gesamtwirtschaft nachteilige Entwicklungen
nicht konkret abzeichnen, bedarf es eines Bundesgesetzes nicht. |
81 |
Zur Wahrung der
Wirtschaftseinheit kann ein Bundesgesetz auch dann erforderlich
sein, wenn es die Einheitlichkeit der beruflichen Ausbildung
sicherstellen oder wenn es für gleiche Zugangsmöglichkeiten zu
Berufen oder Gewerben in allen Ländern sorgen muss. Dies gilt
insbesondere dann, wenn unterschiedliche Ausbildungs- und
Zulassungsvoraussetzungen im deutschen Wirtschaftsgebiet störende
Grenzen aufrichten, eine Ballung oder Ausdünnung in bestimmten
Regionen bewirken, das Niveau der Ausbildung beeinträchtigen und
damit erhebliche Nachteile für die Chancen des Nachwuchses sowie für
die Berufssituation im Gesamtstaat begründen (vgl.
BVerfGE 106, 62 <147>).
Dass die partikulare Erhebung von Studiengebühren negative Effekte
dieser Art nach sich ziehen könnte, ist nicht ausreichend
wahrscheinlich gemacht. Wie die Antragstellerinnen in der mündlichen
Verhandlung hervorgehoben haben, bietet die Möglichkeit, allgemeine
Studiengebühren einzuführen und auszugestalten, den Ländern darüber
hinaus die Chance, die Qualität der Hochschulen und eine
wertbewusste Inanspruchnahme ihrer Ausbildungsleistungen zu fördern
und auf diese Weise auch Ziele der Gesamtwirtschaft zu verfolgen.
Der Bundesgesetzgeber hat diesen Aspekt der bundesstaatlichen
Ordnung vernachlässigt, indem er ausschließlich die Risiken der
Einführung von Studiengebühren für die Hochschulbildung in den Blick
genommen hat. |
82 |
c) Zur Wahrung der
Rechtseinheit im Sinne von Art. 72 Abs. 2 GG (dazu
BVerfGE 106, 62 <145 f.>)
ist § 27 Abs. 4 HRG ebenfalls nicht erforderlich. Unterschiedliches
Landesrecht in Bezug auf Studiengebühren beeinträchtigt nicht
unmittelbar die Rechtssicherheit und Freizügigkeit im Bundesstaat.
Die Erwägung namentlich des Deutschen Studentenwerks, die Erhebung
von Studiengebühren habe Auswirkungen auf familienrechtliche
Unterhaltsverpflichtungen und das Recht der Ausbildungsförderung und
führe insoweit zu einer Rechtszersplitterung, betrifft nicht das
Regelungsanliegen des Art. 72 Abs. 2 GG, sondern Fragen der
Anwendung von Bundesrecht und etwaiger rechtspolitischer
Konsequenzen einer Veränderung der von ihm erfassten Sachverhalte. |
83 |
3. Der Bund kann
sein Gesetzgebungsrecht nicht aus Art. 125a Abs. 2 Satz 1 GG
herleiten. Nach dieser - auf die Rahmengesetzgebung anwendbaren -
Übergangsbestimmung verbleibt die Zuständigkeit zur Änderung von
Vorschriften, die aufgrund des Art. 72 Abs. 2 GG in der bis zum
15. November 1994 geltenden Fassung erlassen worden sind, ohne
Rücksicht darauf, ob die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG
erfüllt sind, beim Bundesgesetzgeber, soweit die Änderung die
wesentlichen Elemente der in dem fortbestehenden Bundesgesetz
enthaltenen Regelung beibehält und keine grundlegende Neukonzeption
enthält; die Änderungskompetenz ist eng auszulegen (vgl. Urteil vom
27. Juli 2004, a.a.O., S. 2809 f.; Urteil des Ersten Senats vom
9. Juni 2004 - 1 BvR 636/02 -, NJW 2004, S. 2363 <2364>). Das am 30.
Januar 1976 in Kraft getretene Hochschulrahmengesetz enthielt bis
zum Erlass des hier angegriffenen Sechsten Änderungsgesetzes keine
Regelungen über Studiengebühren. Mit diesem ist daher der Bereich
der Rahmengesetzgebung im Hochschulwesen in sachlicher Hinsicht
erweitert worden. Dies wird von der durch Art. 125a Abs. 2 Satz 1 GG
vermittelten Befugnis zur Änderung bestehender Bundesgesetze nicht
umfasst. |
84 |
Die durch § 41
Abs. 1 Satz 1 HRG in der Fassung durch Art. 1 Nr. 4 des
Sechsten Änderungsgesetzes begründete Verpflichtung der Länder, an
den Hochschulen Studierendenschaften nach Maßgabe der weiteren
Vorschriften des § 41 HRG n.F. zu bilden, betrifft als grundlegende
Regelung der Hochschulverfassung zwar die allgemeinen Grundsätze des
Hochschulwesens (Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a GG). Art. 1 Nr. 4 ist
jedoch insgesamt nichtig, weil dem Bundesgesetzgeber das
Gesetzgebungsrecht gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit
Art. 72 Abs. 2 GG fehlt und die Bestimmung eine untrennbare Einheit
bildet. |
85 |
1. Nach Ansicht
des Bundesgesetzgebers dient die Neufassung der Bestimmung über die
Studierendenschaften der Verwirklichung der Zielsetzung des Art. 72
Abs. 2 GG, gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen. Dem kann
nicht gefolgt werden. Eine Rechtfertigung im Hinblick auf die
Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit kommt ohnehin nicht in
Betracht. |
86 |
In der
Gesetzesbegründung wird ausgeführt, die bisherige Regelung, die den
Ländern die Bildung verfasster Studierendenschaften freistelle,
trage dem Interesse einer funktionierenden Selbstverwaltung nicht in
ausreichendem Maße Rechnung. Die Bildung verfasster
Studierendenschaften in allen Ländern sei aber auch Voraussetzung
für bundesweit tätige Interessenvertretungen der Studierenden, auf
die der Staat als Gesprächspartner angewiesen sei (vgl. BTDrucks
14/8361 S. 4; 14/8732 S. 6). Die Bundesregierung hat im
Normenkontrollverfahren ergänzend darauf hingewiesen, dass
Studierendenschaften zur Gewährleistung einer angemessenen
individuellen Beratung der Studierenden erforderlich seien. |
87 |
Soweit diese
Ausführungen darauf abzielen, dass eine wirkungsvolle Mitwirkung der
Studierenden an der Selbstverwaltung der Hochschule (§§ 36 f. HRG)
der Einrichtung einer verfassten Studierendenschaft bedürfe, ist
dies bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht belegt. Die
Hochschulverfassungen des Landes Baden-Württemberg und des
Freistaats Bayern sehen keine Studierendenschaften vor. Welche
greifbaren Nachteile sich daraus für die studentische Mitwirkung in
den Hochschulgremien ergeben haben oder zu befürchten sind, ist von
keiner Seite dargetan worden. Gleiches gilt für die Beratung der
Studierenden. |
88 |
Das Ziel, die
Voraussetzungen für eine bundesweite Vertretung der Studierenden als
Ansprechpartner der Bundesregierung in hochschulpolitischen Fragen
zu schaffen, rechtfertigt § 41 HRG n.F. nicht. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine
bundesgesetzliche Regelung zur Herstellung gleichwertiger
Lebensverhältnisse erst dann erforderlich, wenn sich die
Lebensverhältnisse in den Ländern der Bundesrepublik in erheblicher,
das bundesstaatliche Sozialgefüge beeinträchtigender Weise
auseinander entwickelt haben oder sich eine derartige Entwicklung
konkret abzeichnet. Es bedarf keiner Entscheidung, inwiefern die
Ausgestaltung der Vertretung bestimmter Interessen aus dem
Kompetenzbereich der Länder im Hinblick auf die Meinungsbildung im
Bereich der Bundesregierung und des Bundesgesetzgebers überhaupt das
bundesstaatliche Sozialgefüge berührt. Denn jedenfalls kann nicht
angenommen werden, dass die Bundesregierung und der
Bundesgesetzgeber ohne eine bundesweit institutionalisierte
Interessenvertretung der Studierenden in einem aus gesamtstaatlicher
Sicht nicht hinnehmbaren Umfang Gefahr liefen, Problemlagen und
Sachgegebenheiten nicht angemessen zu erfassen und zu bewältigen.
Entsprechende Erfahrungen oder - auf Gegebenheiten in anderen
Staaten gestützte oder aus der Erörterung von Alternativen
abzuleitende - Prognosen sind dem Senat nicht unterbreitet worden. |
89 |
2. Der Bund kann
sich auch hier nicht auf seine Befugnis zur Änderung von
Bundesgesetzen gemäß Art. 125a Abs. 2 Satz 1 GG (oben I. 3.)
stützen. Die mit der Neufassung des § 41 HRG bewirkte Ergänzung der
Vorschriften des Hochschulrahmengesetzes um die Pflicht der Länder,
verfasste Studierendenschaften zu bilden, wirft die bundesstaatliche
Kompetenzfrage erneut auf. Die hochschulverfassungsrechtlichen
Vorgaben des Bundes sind durch das Vierte Gesetz zur Änderung des
Hochschulrahmengesetzes vom 20. August 1998 (BGBl I
S. 2190) weitgehend reduziert worden und
enthielten danach zunächst keine ins Einzelne gehenden Bestimmungen
zur Mitwirkung der Studierenden. In Übereinstimmung damit war die
Bildung von Studentenschaften gemäß § 41 Abs. 1 HRG a.F. in das
Ermessen der Länder gestellt. Die Neuregelung fügt sich daher nicht
im Sinne einer Abrundung oder das Regelungskonzept nicht berührenden
Änderung in das Hochschulrahmengesetz ein. Mit ihr greift der Bund
vielmehr erneut und unter Erweiterung seines Zugriffs in die
Regelungsbefugnisse der Länder ein. |
90 |
3. Der
Bundesgesetzgeber hat nicht nur erstmals eine Pflicht der Länder zur
Bildung von Studierendenschaften (§ 41 Abs. 1 Satz 1 HRG n.F.)
statuiert, sondern darüber hinaus deren Aufgaben in § 41 Abs. 1
Satz 2 bis 4 HRG n.F. inhaltlich neu, und zwar im Sinne einer
Aufgabenerweiterung, umschrieben sowie in Anlehnung an die bisherige
Rechtslage Grundzüge ihrer Verfassung niedergelegt (§ 41 Abs. 2 und
3 HRG n.F.). Der neu gefasste § 41 Abs. 1 HRG ist an die Stelle des
§ 41 Abs. 1 HRG a.F. getreten, demzufolge das Landesrecht vorsehen
kann, dass an den Hochschulen zur Wahrnehmung hochschulpolitischer,
sozialer und kultureller Belange der Studierenden, zur Pflege der
überregionalen und internationalen Studentenbeziehungen sowie zur
Wahrnehmung studentischer Belange in Bezug auf die Aufgaben der
Hochschulen (§§ 2, 3 HRG) Studentenschaften gebildet werden. Sowohl
in der alten wie in der neuen Fassung enthält § 41 Abs. 1 HRG eine
einheitliche Regelung, die nicht in Bestimmungen über die Bildung
der Studierendenschaften einerseits und deren Aufgaben andererseits
zerlegt werden kann. Erweist sich die Pflicht zur Bildung von
Studierendenschaften (§ 41 Abs. 1 Satz 1 HRG n.F.) als nichtig,
können nicht etwa die neu gefassten Bestimmungen über deren Aufgaben
für die nach altem Recht fakultativ gebildeten Studierendenschaften
maßgeblich sein. Gleiches gilt für die Bestimmungen des § 41 Abs. 2
und 3 HRG n.F. über die Verfassung der Studierendenschaften. |
91 |
Folgt aus der
Nichtigkeit des § 41 Abs. 1 Satz 1 HRG n.F. die Nichtigkeit der
gesamten Vorschrift, bedürfen ihre weiteren Regelungen keiner
gesonderten verfassungsrechtlichen Würdigung. |
92 |
Die Prüfung und
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist auf die im
Urteilstenor bezeichneten Vorschriften begrenzt. Die Erstreckung der
Zustimmungspflicht und der Nichtigkeitsfolge eines Verstoßes gegen
Art. 84 Abs. 1 GG auf das gesamte Gesetz (sog. Einheitsthese; vgl.
BVerfGE 8, 274 <294 f.>;
37, 363 <381>;
55, 274 <319>; s.
ferner
BVerfGE 105, 313 <339>)
besagt für sich genommen noch nichts über die Reichweite der dem
Bundesverfassungsgericht auf einen Normenkontrollantrag hin
obliegenden Prüfung. Das Sechste Gesetz zur Änderung des
Hochschulrahmengesetzes bildet keine untrennbare Einheit; vielmehr
sind in ihm der Sache nach voneinander unabhängige Regelungen
lediglich zu einer gesetzgebungstechnischen Einheit zusammengefasst.
Der Gegenstand der abstrakten Normenkontrolle wird durch die gegen
Einzelbestimmungen oder Regelungskomplexe gerichteten
Beanstandungen, nicht hingegen durch die von den Antragstellern
erwarteten Rechtsfolgen bestimmt (vgl.
BVerfGE 73, 118 <151>;
97, 198 <213>). Die
angegriffenen Normen werden vom Bundesverfassungsgericht zwar unter
allen verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, aber ohne Bindung an
die erhobenen Rügen überprüft (vgl.
BVerfGE 97, 198 <214>
m.w.N.; s. auch
BVerfGE 100, 249 <263>). |
93 |
Nachdem die
grundsätzlich vorrangige Prüfung der Gesetzgebungskompetenz ergeben
hat, dass die Bestimmungen des Art. 1 Nrn. 3 und 4 6. HRGÄndG wegen
fehlenden Gesetzgebungsrechts des Bundes nichtig sind, kommt es auf
die weitere Rüge eines durch Art. 1 Nr. 4 6. HRGÄndG ausgelösten
Verstoßes gegen Art. 84 Abs. 1 GG, also eines Mangels im
Gesetzgebungsverfahren, nicht an. Dieser Rüge ist auch nicht
- gewissermaßen hypothetisch - deshalb nachzugehen, weil die
Antragsteller sie an die erste Stelle ihres Vorbringens gerückt und
ihren Antrag entsprechend gefasst haben. Denn damit haben sie nicht
das Sechste Änderungsgesetz über die Bestimmungen des Art. 1 Nrn. 3
und 4 hinaus zur Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht
gestellt, sondern lediglich die Rechtsfolgen antizipiert, die die
bisherige Rechtsprechung an die Feststellung eines Verstoßes gegen
Art. 84 Abs. 1 GG knüpft. |
94 |
Hassemer |
Jentsch |
Broß |
Osterloh |
Di Fabio |
Mellinghoff |
Lübbe-Wolff |
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Gerhardt |
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