Ordnungsgeld wegen Grundrechtsverletzungen

 
VG 2 A 181.99 beschlossen am 17. April 2000

Verwaltungsgericht Berlin

BESCHLUSS

In der Vollstreckungssache

Vollstreckungsgläubiger

gegen

die Studentenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin,
vertreten durch den Allgemeinen Studentenausschuss,
dieser vertreten durch seinen Vorsitzenden,

Vollstreckungsschuldnerin,

hat die 2. Kammer der Verwaltungsgerichts Berlin durch

den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Wichmann,
die Richterin am Verwaltungsgericht Reisiger,
den Richter am Verwaltungsgericht Richard

am 17. April 2000 beschlossen:

Gegen die Vollstreckungsschuldnerin wird wegen des Verstoßes gegen das in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. November 1999 (VG 2 A 135.99) enthaltene Verbot, nicht spezifisch und unmittelbar hochschulbezogene Äußerungen (Erklärungen, Forderungen, Stellungnahmen) abzugeben sowie derartige Tätigkeiten Dritter zu unterstützen, ein Ordnungsgeld von 5.000,-- DM und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ein Tag Ordnungshaft gegen die Vorsitzende bzw. den Vorsitzenden des AStA der Humboldt-Universität zu Berlin festgesetzt.

Die Vollstreckungsschuldnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 5.000,-- festgesetzt.

Gründe

Durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. November 1999 (VG 2 A 135.99) wurde der Vollstreckungsschuldnerin im Wege der einstweiligen Anordnung für di Dauer der Mitgliedschaft der Vollstreckungsgläubiger in der Studentenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin bis zu einer Entscheidung in der hauptsache (VG 2 A 136.99) untersagt, nicht spezifisch und unmittelbar hochschulbezogene Äußerungen (Erklärungen, Forderungen, Stellungnahmen) abzugeben sowie derartige Tätigkeiten Dritter zu unterstützen. Zugfleich wurde für jeden fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von DM 5,-- DM bis 500.000,-- DM angedroht.

Die Festsetzung des Ordnungsgeldes beruht auf §§ 123 Abs. 3 VwGO, 928, 890 Abs. 1 ZPO. Die Volstreckungsschuldnerin hat gegen das vorgenannte Unterlassungsgebot verstoßen und ihre Absicht kundgetan, dieses auch in Zukunft nicht zu beachten.

Dabei musste die Kammer nicht der durchaus Zweifel aufwerfenden Frage nachgehen, ob sämtliche von den Volstreckungsgläubigern vorgetragenen Betätigungen der Vollstreckungsschuldnerin als Verstoß gegen das gerichtliche Unterlassungsgebot zu werten sind. Insbesondere musste die Kammer in diesem Zusammenhang nicht weiter aufklären, ob demgegenüber die Behauptung der Vollstreckungsschuldnerin zutrifft, dass ihre Unterstützung für das Projekt "Jugendarbeit in St. Petersburg" sowie für die Demonstration am 29. Januar 2000 jeweils einen Hochschulbezug aufgewiesen hätten.

Die Vollstreckungsschuldnerin hat jedenfalls dadurch das gerichtliche Unterlassungsgebot nicht beachtet, dass sie in der Februarausgabe der vom AStA der Humboldt-Universität, einem zentralen Organ der Vollstreckungsschuldnerin (§ 19 Abs. 1 Nr. 3 BerlHG), herausgegebenen Zeitung der studentischen Selbstverwaltung "HUch!" auf S. 13 eine Anzeige ohne Hochschulbezug für eine Demonstration am 5. Februar 2000 zum Thema "Freiheit für Mumia Abu-Jamal und alle politischen Gefangenen! Abschaffung der Todesstrafe!" veröffentlicht hat. Dabei ist es rechtlich unerheblich, ob die Behauptung der Vollstreckungsschuldnerin, Dritte hätten die Anzeige aufgegeben, zutrifft. Denn wie die Kammer in ihrem Beschluss vom 23. November 1999 ausgeführt hat, sind auch allgemeinpolitische Äußerungen Dritter dem Verantwortungsbereich der Vollstreckungsschuldnerin zuzurechnen, wenn sie diese in ihren Druckerzeugnisen verbreitet und damit unterstützt.

Weiter hat die Vollstreckungsschuldnerin gegen das Verbot allgemeinpolitischer Betätigung verstoßen, indem sie den von ihr verfassten Artikel "Heim ins Österreich!" auf S. 10 der Februarausgabe der HUch! veröffentlicht hat. Der Artikel befasst sich allein mit den aktuellen polititcshen Verhältnissen in Österreich und weist daher ebenfalls keinen Hochschulbezug im Sinne von § 18 Abs. 2 BerlHG auf. Gleiches gilt für das Titelblatt der Zeitung, auf dem sich folgende "Schlagzeile" befindet:

"Haider ist scheiße."
+ gez. ReferentInnenRat
___________________
= 5-5000.000 DM *

*Ordnungsgeld könnte im Falle einer Vorlage
dieser Ausgabe durch die KlägerInnen beim
Verwaltungsgericht fällig sein.
Wählt politisch!

Durch diese Äußerung gibt die Vollstreckungsschuldnerin zudem zu erkennen, dass sie sich des fehlenden Hochschulbezugs durchaus bewusst ist und in kauf nimmt, mit einem Ordnungsgeld belegt zu werden. Dies lässt nur den Schluss zu,dass sie gewillt ist, sich auch in Zukunft entgegen dem gerichtlichen Unterlassungsgebot allgemeinpolitisch zu betätigen.

Hinsichtlich der Bemesung des Ordnungsgeldes erscheint der festgesetzte betrag von 5.000,-- DM der Höhe nach angemessen, denn es kann davon ausgegangen werden, dass dieser Betrag die Vollstreckungsschuldnerin von einer weiteren Zuwiderhandlung abhält. Die Kamer weist allerdings darauf hin, dass zur Durchsetzung der einstweiligen Anordnung vom 23. November 1999 bei weiteren Zuwiderhandlungen ein deutlich höheres Ordnungsgeld in Betracht zu ziehen sein wird.

Gemäß § 890 Abs. 1 ZPO ist von Amts wegen für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Ordnungshaft zu verhängen. Dabei hat das Gericht das sich aus Art. 6 Abs. 2 EGStGB ergebende Mindestmaß von einem Tag festgesetzt. Zwar handelt es sich bei der Vollstreckungsschuldnerin um eine Teilkörperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. § 18 Abs.1 BerlHG). Dennoch ist die Festsetzung von Ordnungshaft zulässig, da der die Studentenschaft vertretende AStA der Humboldt-Universität zu Berlin (vgl. § 18 Abs. 4 BerlHG) als Gremium über stellvertretende Vorsitzende verfügt und die Verhängung von Ordnungshaft gegen seine Vorsitzende bzw. seinen Vorsitzenden seine Funktionsfähigkeit nicht beeinträchtigen kann. Insofern besteht ein Unterschied zu dem vom VGH Mannheim (NVwZ-RR 1995, 619) entschiedenen Fall.

Gründe für die von der Vollstreckungsschuldnerin beantragte Aussetzung der Vollstreckung bis zur Entscheidung über den Antrag auf Zulassung der Beschwerde im Verfahren VG 2 A 135.99 sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 891 ZPO i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist die Beschwerde zulässig. (...)

Wichmann

Richard

Reisiger